Beobachtungsbericht vom 16. 2. 2008

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Alrukaba
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Beobachtungsbericht vom 16. 2. 2008

Beitrag von Alrukaba »

Hallo !

Mal ehrlich, wer von euch hat schon mal was vom „ goldenen Henkel“ gehört? Ich muss zugeben, bewusst wahr genommen hab ich das Ereignis das erste Mal gestern, gehört oder gelesen hab ich sicher schon mal davon, aber eben wieder vergessen.
Gestern rief mich am frühen Nachmittag, ich war gerade mit dem Auto unterwegs, Gerald an, ob ich mir mit ihm und Willy in der Nacht den goldenen Henkel ansehe. „ Den wos?“ – war meine Frage.
Nach kurzer Erklärung und etwas Fantasie, stellte ich mir den Anblick sehenswert vor und sagte zu.
Am Abend zogen zwar ein paar leichte Wolken durch, aber die Kälte vertrieb allmählich auch die und so trafen wir uns zu dritt gegen 22 Uhr an einem ruhigen Ort im Nordwesten von Amstetten um das Ereignis zu beobachten.
Nun, was ist der goldene Henkel, da obrochene Henkl von ana goidanen Tassn? Danke setzen nicht Genügend. Na, Spaß beiseite, wenn die Sonne ca. 9 Tage nach Neumond über dem 30. westlichen Längengrad aufgeht, liegt im Nordwestlichen Eck unseres Trabanten ein Teil des Sinus Iridium, der Regenbogenbucht, noch im Schatten, während die Gipfel des westlich davon verlaufende Jura Gebirges allmählich ins Sonnenlicht rücken. Und die von der Sonne beleuchteten Gipfel dieses Gebirges sehen eben aus, als hätte der Mond einen Henkel. Wolfgang Vollmann hat 2005 die Zeit für dieses Ereignis sogar vorausgerechnet, den es findet zwar immer beim zunehmenden Mond statt aber wie der Vollmond eben immer zu einer anderen Tag- oder Nachtzeit. Dieses Licht – Schattenspiel ist aber nur für ein paar Stunden zu beobachten, denn als wir gegen Mitternacht einen letzten Blick zum Mond warfen, war schon beinahe die ganze Bucht in Sonnenlicht getaucht.
Aber natürlich schauten wir uns nicht zwei Stunden lang den Henkel an. Nein, vom Sinus Iridium ausgehend, startete ich erst mal in Richtung Norden über die Krater Bianchini, Bouguer bis hinauf zu Philolaus und Anaxagoras und über J. J. Cassini und Fontenelle zu Plato und über den Krater Pico dem Monte Teneriffa zu Monte Recti und den Kratern Condamine und Maupertuis zurück zur Regenbogenbucht. Da fiel Gerald am Nordöstlichen Eingang zu Sinus Iridum ein langer Schatten auf, der vom allein dastehenden Gipfel des Cap Laplace in die Bucht geworfen wurde.
Im Nordwestlichen Eck des Regenmeeres, vor dem Eingang zum Sinus Iridum, waren die zwei fast gleich großen Krater Helicon und Leverrier ein schöner Anblick. Etwas darunter lag Carlini und in Richtung Terminator Caroline Herschel und Heis sowie direkt an der Schattengrenze Deliste und Diophantus. Etwas weiter ins Licht gerückt waren Euler, Lambert und Pytheas, während Cassini, Aristillus und Archimedes im östlichen Mare Imbrium schon voll im Licht standen.
Den Bogen der Apenninen rutschte ich dann herunter bis Eratostenes, schrammte dabei Monte Huygens und den Krater Wallace und flog über die Karpaten bis Tobias Mayer. Hier, zwischen den östlichen Ausläufern der Karpaten und Eratostenes, hat mir meine Frau vor ein paar Jahren 1000 m² Mondboden geschenkt, schade dass ich es wohl nie betreten werden kann.
Schluss der Träumerei, es ist kalt, ca. -5° und ich folge weiter dem Schatten über Kopernikus, Eddington, Reinhold und Landsberg über den Ural zu Lubiniezky, Billialdus und König, sowie zwei mir unbekannte Krater, die auf meiner zwanzig Jahre alten Hallwag Mondkarte leider namentlich nicht genannt sind, muss mir wohl mal einen neuen Mondatlas kaufen. Weiter ging die Reise in südliche Regionen zu den Kratern Pitatus, Tycho, Wilhelm sowie zu Longomontanus und Maginus und schließlich zum größten Krater auf unserem Trabanten, Clavius. Östlich vom Mare Nubium strahlten die Krater Ptolomäus, Albategius, Alphonsus, Arzachel und Purbach um die Wette. Über Frau Mauro, Parry, Bonplaud und das Sinus Medi beendete ich den gut einstündigen Spaziergang über den Mond. Noch schnell über den Sonnenüberfluteten Ostrand geflogen und nun sagte mir die Kälte ein baldiges Ende voraus.
Aber erst noch ein Blick auf Saturn und Mars. Saturn stand, dank des relativ guten Seeing, fast wie ausgestochen da. Mit Geralds 4 mm Okular konnte ich bei 250 facher Vergrößerung auch die Cassini - Teilung, zwei Wolkenbänder und die Monde Titan, Rhea und Thetys, sowie etwas weiter draußen, Japetus erkennen. Aber auch auf Mars waren einige Einzelheiten zu erkennen und natürlich mussten alle drei für den einen oder anderen Teleskopvergleich herhalten. Willys Selbstbau Dobson, 1150mm lang und 254 mm Durchmesser, schnitt dabei am schlechtesten ab, das Bild war zu unscharf, wahrscheinlich schlecht justiert. Gerald und ich raten ihm schon lange sich einen Refraktor zuzulegen.
Gegen Mitternacht hatte die Kälte nicht nur die letzte Wolke vertrieben, sondern wir beschlossen die Geräte wieder abzubauen. Aber erst noch ein letzter Blick zu unseren treuen Begleiter und wieder war ich eine Erkenntnis reicher, nämlich das der Mond auch einige Tage vor Vollmond einen reizvollen Anblick bietet,

tschüß bis zum nächsten Mal, Alex


Bild

S I - Sinus Iridum
C L - Cap Laplace
C H - Cap Heraclides
Mt R - Montes Recti
Mt T - Montes Teneriffa
Mt J - Montes Jura
1 Bianchini
2 Maupertius
3 Bouguer
4 Condamine
5 Fontenelle
6 J. J. Cassini
7 Philolaus
8 Anaxagoras
9 Plato
10 Pico
11 Leverrier
12 Helicon
13 Carlini
14 Caroline Herschel
15 Heis
16 Deliste
17 Diophantus
Zuletzt geändert von Alrukaba am 21.02.2008, 23:13, insgesamt 3-mal geändert.
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herbraab
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Beitrag von herbraab »

Hallo Alex,

Danke für den netten Bericht. Ich hattee gestern auch schon alles vorbereitet, und dachte mir (ohne nachgerechnet zu haben), dass es mit dem "Goldenen Henkel" was werden konnte. Aber dann kamen die Wolken... :(

Heute hat's aber für ein paar Blicke zu unserem Trabanten gereicht. Bericht folgt. :D

Grüße, Herbert
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kilo
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Beitrag von kilo »

Hallo Alex!

Sehr schöner Bericht vom Mond! Macht Lust zum Selberschaun :)
Grüße Robert
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Josef
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Beitrag von Josef »

Schöner Bericht Alex!

Als Hilfe zu Visualisierung: :lol:
Bild
Leider spielte das Seeing nicht unbedingt mit und die Montierung ist auch noch immer in der Umbauphase!
Bresser Messier R152 mit TouCam und Fringe Killer.
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kilo
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Beitrag von kilo »

Huch, der ist ja silber :shock: :lol: :lol:
Grüße Robert
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Alrukaba
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Beitrag von Alrukaba »

Tolles Bild. Wie war die Mondfinsternis?
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Josef
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Beitrag von Josef »

Hallo Alex, also die Mondfinsternis die war ziemlich finster im wahrsten Sinne des Wortes! :x
Pünktlich zu Beginn waren auch schon die Wolken da und nix war´s mehr mit Foto machen und so.

Hoffe das es im August besseres Wetter hat.
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